Eines der größten physikalischen Rätsel unserer Zeit ist die Dunkle Materie. Hunderte von Astrophysikern jagen ihrer Lösung nach, in einem Wettstreit der oder die Erste zu sein, dem oder der es möglich ist, einen Beweis für ihre Existenz anzuführen.
Aber was ist so besonders an Dunkler Materie?
Nun, zunächst einmal wurde bis heute kein Beweis für ihre Existenz gefunden, weswegen es etliche Gegentheorien zur schwarzen Materie gibt, die ich später noch einmal erläutern werde, dennoch wird sie von den meisten (Astro-)Physikern als plausibelste, oder vielleicht auch einfachste, Lösung angesehen. Ihr wird außerdem eine unglaublich hohe Dichte, Schwere und Masse zugesprochen. Eine weitere Problematik ist, dass sie unsichtbar ist – nicht nur für menschliche Augen. Die meisten unserer Messgeräte und Verfahren (etwa Röntgenstrahlung, UV-Licht oder ein Infrarotscan) können sie nicht erfassen.
Wir können sie also weder sehen noch Beweisen – weshalb also die Annahme ihrer Existenz?
Diese kam zum ersten mal bei dem Astronom Jan Hendrik Oort im Jahre 1932 auf, als er die Anzahldichte und Geschwindigkeitsverteilung von Sternen im Bereich der Milchstraße mit verschiedenem Abstand zu deren Zentrum maß und beobachtete, dass entgegen seiner Vermutungen und Berechnungen die Geschwindigkeit nahezu konstant blieb (was, sollte ich das richtig verstanden haben, in der Physik eine Abweichung von 15% mit einschließt).
Eine ähnliche Entdeckung machte ein Jahr später, 1933, der Physiker und Astronom Fritz Zwicky bei einem Galaxienhaufen, dessen Masse das 4oo-fache hätte betragen müssen, damit die Gravitationswirkung der sichtbaren Materie stark genug gewesen wäre, um ihn zusammenzuhalten.
Hieraus leitete man ab, dass Dunkle Materie die Funktion einer Wechselwirkung zur Gravitation erfüllt – als eine Art alles-zusammenhaltenden Superkleber, wenn man so will.
Wirklich verbreitet, ernstgenommen und weitergehend erforscht wurde die Theorie der Dunklen Materie jedoch erst durch die Astronomin Vera Rubin im Jahre 1960. Bereits während ihres Studiums zeigte sie sich interessiert an der großräumigen Verteilung von Galaxien und der überlagerten Bewegung von Galaxienhaufen. 1965 begann sie mit ihrem Kollegen Kent Ford zusammenzuarbeiten, der die damals fortschrittlichsten Spektographen (optische Instrumente, die Licht verschiedener Wellenlängen in deren Spektrum zerlegen und dann durch Detektoren registrieren, in der Astronomie vorwiegend für die Beobachtung von Sternen und Galaxien verwendet) bauen konnte und nutzte dies um die inneren Gebiete, sowie deren schwächste äußere Gebiete zu untersuchen.
Die wichtigste Entdeckung machten sie dabei, als sie den Andromeda-Nebel, eine Spiralgalaxie, unter die Lupe nahmen, denn die Umlaufgeschwindigkeit nahm, wie bei Oorts Messungen, nach außen hin nicht ab, sondern beschleunigte sich teilweise sogar und rotierte um einen Mittelwert von etwa 200 km/s, was jedoch dem Newtonschen Gravitationsgesetz widersprach. Wollte sie dieses Phänomen erklären gab es für sie zwei Möglichkeiten;
Entweder Newtons Gesetz verlor bei größeren Maßstäben seine Gültigkeit, oder aber
es existierte ein zweite, schwerere Materie, vermutlich in Form eines Halos (ein annähernd kugelförmiger Bereich, der sich um eine Galaxie spannt), in die die Galaxie eingebettet war.
Da Rubin es nicht mit dem großen Newton aufnehmen wollte, entschied sie sich für letztere Variante. Man hatte also herausgefunden, dass Galaxien keine Scheiben, sondern Kugeln, angefüllt mit unsichtbarer Materie, sind. Wenigstens wusste man diesmal schon, dass die Kugel sich dreht.
An dieser Stelle eine kleine Randnote: Da Frau Rubin eine der ersten Frauen in der Physik war, war ihr (aufgrund ihres Geschlechts) an der Princeton University ein Studium verweigert worden, was sie nicht daran hinderte, an ebenjener Universität später einen Lehrstuhl innezuhaben.
Da sich die Idee einer Dunklen Materie mittlerweile etabliert hatte, begann man nun nach Beweisen zu forschen. Dies geschah zunächst in Form von Untersuchungen der SDSS (Sloan Digital Sky Survey – eine Durchmusterung des Himmels durch eine Kombination verschiedener Verfahren) und der generellen Struktur des Kosmos. Man verglich außerdem 2006 die Galaxienverteilung und mehrere Röntgenaufnahmen eines Sternenhaufens. All dies lieferte die bis heute stärksten Indizien.
Eines der angewandten Verfahren war auch die Beobachtung des Gravitationslinseneffekts, welches der Astrophysiker Yannick Mellier ins Leben rief. Der Gravitationslinseneffekt, von Albert Einstein in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie beschrieben, soll die Ablenkung von Licht durch große Massen bezeichnen. Nach Einstein werden die Lichtstrahlen näher zu einem massiven Objekt hin gelenkt, je näher sie kommen und eine Kaustik (auch Brennlinie oder Brennfläche, ein Bereich in dem Lichtstrahlen gebündelt werden, ein Kennzeichen ist der asymmetrische Verlauf der Lichtkonzentration der quer zur Kaustik verlaufenden Linien) erschaffen. Dies bewirkt eine Änderung in der Ausbreitung des Lichtes. Begründet wird dieser Verlauf mit der Raum-Zeit-Krümmung, bei der ein dichtes und massives Objekt den Raum um sich herum krümmt – somit auch das Licht.
Die Idee stammt von einer Beobachtung, die er 1985 im hawaiianischen Himmel machte, bei der er nahe des Galaxienhaufens Abell 370 eine merkwürdige, gekrümmte Struktur fand, welche zu lang für eine Galaxie war und in keinem Sternenkatalog zu finden. Als er davon erzählte waren die meisten älteren Astronome und Astrophysiker von einem Defekt des Teleskops überzeugt, doch Mellier glaubte an die Existenz dieses bananenförmigen Etwas, von dem er sagte, es sei das Abbild einer Galaxie hinter Abell 370 – und das sollte sich auch als richtig herausstellen. Unter der Annahme des bislang unbeobachteten und unbewiesenen Gravitationslinseneffekts forschte er weiter und suchte nach anderen, verzerrten Abbildern von Galaxien, aus denen er mithilfe ihrer Krümmung die Dunkle Materie lokalisieren und eine Karte anfertigen konnte – nebenbei bewies er auch noch einen der umstrittensten Punkte in Einsteins Relativitätstheorie.
Die selbe Methode griff Richard Massey, Physiker, auf, um die erste dreidimensionale Karte und damit das erste Modell von Dunkler Materie zu erschaffen, was, wie bereits Vera Rubin vermutete, zeigt, dass sich die (vermutete) dunkle Materie meist in Halos ansammelt.
Wir wissen jetzt also, dass es vermutlich etwas unsichtbares gibt, dass dafür sorgt, dass Dinge sich irgendwo im Weltall schnell drehen – aber was sollte daran wichtig für uns sein?
Mit dieser Frage hat sich auch David Spergel, Astrophysiker und ehemaliger Student an sowohl Princeton, als auch Havard, beschäftigt und dies am erfolgreichsten beim Auswerten der WMAP- Bilder getan, aber eines nach dem anderen.
Man geht davon aus, dass das Universum bis 380 000 Jahre nach dem Urknall ein undurchsichtiger Meer aus nebelbildendem Magma war, bevor es sich ruckartig ausdehnte, begann abzukühlen und die Lichtteilchen sich bewegen konnten. Weiter wird vermutet, dass dieser Prozess einen Lichtblitz von enormen Ausmaß erzeugte.
Zu diesem Schluss kamen 1964 die zwei Physiker Arno Penzias und Robert Wilkinson, als sie bei einer Messreihe von Lichtwerten eine schwache Frequenz als eine Art „Hintergrundrauschen“ wahrnahmen. Zunächst glaubten sie, es wäre ein Störsignal ihrer verschmutzten Antenne und reinigten sie von sämtlichen Schmutz, wie Vogelmist, doch das Signal blieb, jetzt sogar ein Stück klarer, bestehen. Sie sollten später herausfinden, dass sie als erste Menschen ein „Echo“ der Entstehung des Universums, wie wir es heute kennen entdeckt hatten, später erhielten sie einen Nobelpreis für das Erforschen kosmischer Hintergrundstrahlung.
Dieses Echo wurde von 2001 bis 2010 auch von der Raumsonde WMAP (Wilkinson Microwave Anistropy Probe, eine Raumsonde zur Erforschung von Signalen aus der Vergangenheit, hervorgegangen aus einer Kooperation der NASA und Princeton University) erforscht. Mit Messgeräten, die bis auf ein 20 Millionstel Grad genau messen können, ausgestattet, erstellte sie Karten der ortsabhängigen Temperaturschwankungen des Universums vor rund 13,7 Milliarden Jahren, durch Analysen der kosmischen Hintergrundstrahlung.
Diese Karten wertete Spergel aus und ist davon überzeugt, dass die aufgezeichneten, wenngleich minimalen, Temperaturschwankungen durch Dunkle Materie entstanden, da sie sich leicht zusammenballt und so ihre eigene Schwerkraft erzeugt, durch welche wiederum Materie wie Atome angezogen wurde und diese Stellen wärmer wurden.
Auch hätte sich das Universum, in den Strukturen, in denen wir es heute kennen, in 13,7 Milliarden Jahren nicht bilden können, es hätte mehr Zeit gebraucht, hätte die Dunkle Materie keine Körnchen gebildet, um die sich später Galaxien bilden würden.
Über all diese Zeit hat sich auch die Verteilung der Kräfte im Universum verändert. So soll das Universum zur Entkopplungszeit, 380 000 Jahre nach seiner Erschaffung, etwa zu
63% aus Dunkler Materie
15% aus Photonen
12% aus Atomen und
10% aus Neutrinos
bestanden haben, während es heute, neusten Messungen zufolge, aus circa
72% Dunkler Energie
23% Dunkler Materie
4,5% Atomen und
0,3% Neutrinos
besteht, wobei Dunkle Energie eine Erklärung für die kosmologischen Konstanten und die stetige Expansion des Universums darstellen soll, wenngleich sie experimentell so wenig nachgewiesen ist, wie Dunkle Materie.
Dieses Modell von Dunkler Materie und prozentualer Materie-Verteilung bewährt sich auch in kosmologischen Simulationen, wie der Millenium-Simulation (eine Computersimulation, die klären sollte, wie sich nach dem Urknall aus dem strukturlosen Universum das uns heute bekannte Galaxien-System entwickeln konnte, eine Kooperation von Kosmologen aus Deutschland, Großbritannien, Kanada, Japan und den USA unter dem Vorsitz des Max-Planck-Instituts für Astrophysik).
Wie bereits gesehen, steht Dunkle Materie getrennt von anderer, auch als „gewöhnliche“ Materie bezeichnete, Materie (z.B. Atome). Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass man, obwohl sie schätzungsweise fünfmal mehr ist, als die uns bekannte Materie, nicht weiss, als was für eine Art von Materie man Dunkle Materie nun klassifizieren soll. Um dieses Rätsel zu lüften forscht Robert Minchin, Instrument Scientist (Ingeneurswissenschaftler?), in Puerto Rico mit einem Radioteleskop (Messgerät für Radiowellen) nach dem Material der Dunklen Materie, hat aber bislang nur sehr wenig Hinweise finden können.
Eine andere Methode nach dem Material zu suchen, sind Experimente mit den Daten und Parametern von Simulationen und Teilchendetektoren (Messgeräte zum Nachweis freier, bewegter Moleküle, Atome, Elementarteilchen und anderen Materiebausteinen wie Quarks, gibt es in verschiedenen Ausführungen, welche in Größe, Form und Messart variieren, je nach nachzuweisendem Teilchen, wird sowohl verwendet, um neue Teilchen und Teilchenzustände zu entdecken, als auch um theoretische Teilchen nachzuweisen (wie es beim, durch das Standartmodell der Teilchenphysik vorhergesagten, neutralen Baryon der Fall war)).
Nun möchte ich, wie zu beginn erwähnt, noch auf die zwei wichtigsten Gegentheorien, oder alternativen Theorien eingehen:
Die erste Gegentheorie wurde bereits 1983 von dem Physiker Mordehai Milgrom entwickelt und modifiziert das Newtonsche Gravitationsgesetz, da, so Milgrom, auch die Verteilung der Objekte wichtig sei. Dies geht auf die 1980 entdeckte Pioneer-Anomalie zurück, die eine US-amerikanische Raumsonde entgegen den Berechnungen mit einer unbekannten Kraft zur Sonne hin ablenkte, worauf Milgrom MOND (Modifizierte Newtonsche Dynamik, Erklärung der Drehgeschwindigkeit von Galaxien, bei der der Faktor der Dunklen Materie aus der Gleichung genommen wird) erschuf, was besagt, dass die Anziehungskraft bei langsam fliegenden Körpern mit steigendem Abstand von der Anziehungsquelle erst schwächer, dann jedoch stärker einwirkt und somit Newtons Gravitationsgesetz im größeren Maßstab (wie im Falle der Pioneer-Anomalie bereits im äußeren Sonnensystem) außer Kraft setzt.
Bestärkt wurde diese Theorie durch die Beobachtungen des Entwicklers der zurzeit genutzten kanonischen IMF (Ursprünglichen Massenfunktion, beschreibt die Verteilung der Sternmassen bei einer neu entstehenden Sternpopulation), Pavel Kroupa, als er Zwerggalaxien beobachtete, deren Rotation auf die selbe Weise wie die von großen Galaxien verlief, obwohl die Dunkle Materie durch Kollisionen mit anderen Sterneninseln bereits in der Frühzeit des Universums hätte „herausgepustet“ werden müssen.
Eine zweite, etwas wackeligere und unbekanntere Theorie ist, dass Quantenfluktuation (Paare aus Materie und Antimaterie (Teilchen und Antiteilchen(Antiteilchen=Teilchen deren Ladung durch Quarks vertauscht wurde)), welche in einem Vakuum entstehen und sofort danach zerfallen sollen) sich um starke Gravitationsfelder ansammeln und somit zusätzliche Schwerkraft erzeugen, jedoch wurde dies noch nie in einem Teilchenbeschleuniger erforscht.
Abschließend kann man also sagen, dass Dunkle Materie uns zugleich bekannt und unbekannt ist und wir dürfen uns gespannt zeigen, ob sie in den nächsten Jahren bewiesen oder entkräftet wird.